Coaching kann Psychotherapie nicht ersetzen, aber helfen, bevor es zu spät ist. Als Coach und erfahrener Sparringspartner unterstütze ich meine Kunden in allen Phasen Ihres Berufslebens, bei der beruflichen Neuorientierung oder bei privaten Umbrüchen. Ein interessanter Artikel aus der FAZ vom 25.08.2015.
25.08.2015, von CHRISTOPH SCHÄFER
Viele träumen vom Chefsessel, vom üppigen Gehalt und von der Macht. Doch der Preis, den Spitzenmanager bisweilen dafür zahlen, ist hoch: Termine beim Psychotherapeuten und einsame Nächte.
„Melden macht frei!“ Das bekommt jeder Bundeswehrsoldat schon in der Grundausbildung eingetrichtert. Gemeint ist: Wer auf ein Problem stößt, das er nicht lösen kann, meldet es seinem Vorgesetzten. Der muss sich dann kümmern, und man selbst ist die Sorge los. So ähnlich läuft es in vielen Betrieben: Wer überhaupt nicht weiterkommt, geht zu seinem Vorgesetzten. Ist das Problem groß genug, landet es irgendwann beim Vorstandsvorsitzenden oder Geschäftsführer. Der kann es nicht weiter nach oben durchreichen. Was auch immer er jetzt unternimmt (oder unterlässt): Er bleibt verantwortlich. In sonnigen Zeiten ist das kein Problem oder macht sogar Freude. Wer repräsentiert nicht gerne ein Unternehmen, das hohe Gewinne erwirtschaftet, gute Löhne zahlt und ordentliche Dividenden überweist? Doch je mehr Gewitterwolken aufziehen, desto heftiger pfeift der Wind an der Bergspitze – und die Sehnsucht nach dem Basiscamp steigt.
Einen ausgewachsenen Orkan hat Marco Thomsen erlebt. Der Betriebswirt stand noch vor wenigen Jahren an der Spitze eines großen Solarunternehmens mit Milliardenumsatz und Hunderten Mitarbeitern. Doch es waren schlimme Zeiten für die Branche. Staatlich subventionierte Konkurrenten aus China drückten die Preise in den Keller. Ein Solarunternehmen nach dem anderen meldete Konkurs an, und auch Thomsens Unternehmen machte hohe Verluste.
Für den Firmenchef war es ein täglicher Kampf mit sich selbst: Einerseits habe er an eine erfolgreiche Zukunft geglaubt. „Andererseits habe ich mich öfter gefragt, ob ich mir die Situation nicht schön male, um nicht ernsthaft über die Insolvenz und deren Konsequenzen nachdenken zu müssen.“ In besonders dunklen Stunden sah er seine bürgerliche Existenz gefährdet, denn die Verschleppung einer Insolvenz ist eine Straftat. Und für wirtschaftliche Schäden haftet der Vorstand dann persönlich. „Wenn ich mich damit beschäftigt habe, waren das echte, physische Schmerzen.“
Thomsen ist niemand, der so etwas einfach dahinsagt. Er ist kein wehleidiger Mensch, im Gegenteil. Viele Kollegen und Mitarbeiter sehen in ihm einen idealen Manager. Sein Gang ist aufrecht, seine Stimme fest. Er verfügt über großen Ehrgeiz, einen scharfen Verstand und kann knallhart verhandeln. Nach drei Jahren Krise aber war er fertig: „Das hat sich in den letzten Monaten in einer extremen Schlaflosigkeit bemerkbar gemacht. Ich konnte nicht mehr abschalten, war in einer Endlosschleife.“ Permanent habe er gegrübelt, ob er nicht etwas übersehen habe. Einen Weg, das Unternehmen zu retten. „Das war eine Extremsituation mit realen gesundheitlichen Folgen.“
„Das tue ich mir nicht mehr an!“
Der 48-Jährige hat seine Lektion gelernt und den Besuch eines Psychotherapeuten hinter sich. Er ist zwar wieder Vorstand in einem der größten Unternehmen Deutschlands. An die Unternehmensspitze strebt er aber nicht mehr. „Wenn Sie nicht völlig verrückte Vorstellungen vom Leben haben, dann gibt es ein Einkommensniveau, ab dem es nicht sinnvoll ist, noch mehr Geld zu verdienen und dafür mehr Stress in Kauf zu nehmen.“
Überhaupt sei es eine Illusion zu glauben, dass man freier werde, je höher man aufsteige. Der Mann an der Spitze habe den Aufsichtsrat im Nacken, die Anteilseigner, die Mitarbeiter und die Medien. Bei Aktiengesellschaften kämen die Analysten hinzu, die Quartalszahlen und Transparenzpflichten. „Da sind Sie ein Getriebener.“ Viele erstklassige Kollegen sähen es genauso, beteuert Thomsen. „Die sagen: Ich gehe nicht mehr in ein börsennotiertes Unternehmen, das tue ich mir nicht mehr an!“
Wegen seiner offenen Worte will Thomsen seinen wahren Namen nicht in der Zeitung lesen. De facto aber steht er mit seiner Sicht der Dinge keineswegs allein. Wenige Unternehmenslenker haben so krasse Erfahrungen gemacht wie er. Die Nachteile des Lebens an der Spitzenposition aber kennen alle.
Alleine im Hotelzimmer
Auch Gunther Wobser. Seit zwölf Jahren führt er den Anlagenbauer Lauda, doch trotz seiner Erfahrung hat er bisweilen schlaflose Nächte. „Wenn es um harte personelle Entscheidungen geht, mache ich mir sehr viele Gedanken“, sagt Wobser. Er frage sich dann, wie er den Betroffenen und dem Unternehmen gleichzeitig gerecht werden könne. „Bei diesen Entscheidungen bin ich einsam.“ Und nicht nur dann. „Auch im routinemäßigen Geschäftsalltag gibt es Einsamkeit“, berichtet der Mittvierziger. „Wenn Sie häufig allein in Hotelzimmern sind, ist das nicht angenehm.“ Auf einer seiner letzten Geschäftsreisen habe er am Wochenende kein Wort mit jemandem gewechselt. „Da fangen Sie auf einmal an, mit sich selbst zu sprechen und sagen: ,Ich gehe jetzt mal frühstücken.“ Auch abends an der Bar „sitzen dann nur einsame Manager. Da sagt man ja nicht: ,Hey, wollen Sie mal mit mir sprechen?“ Ein befreundeter Geschäftsführer nutze in solchen Momenten Facebook „als seine letzte Verbindung zur Außenwelt“.
Alles andere als traumhaft sei auch die Arbeitsbelastung. „Mal ein Buch lesen oder nichts tun, das mache ich selten“, berichtet Wobser und nippt an seinem Kaffee. Immerhin habe er später im Flieger nach Philadelphia Momente der Ruhe. „Nicht so wie die Konzern-Leute, die dann gleich an ihren Laptops klappern.“
Wer Wobser erlebt, zweifelt nicht daran, dass er seinen Beruf liebt und trotz seines vollen Terminkalenders noch viele Jahre weitermachen will. Um den Druck abzubauen, sucht er regelmäßig mit ausgewählten Mitarbeitern das Gespräch, anderen Unternehmern und Beratern. Vor Kurzem hat Wobser ein Unternehmen in den Vereinigten Staaten gekauft. „Da brauchen Sie gleich ein Bündel an Beratern: einen Wirtschaftsprüfer, einen Juristen, einen Steuerberater und einen für Verhandlungsführung und Angebotsgestaltung.“ Die Themen seien „inzwischen so vielfältig, da schaffen Sie es gar nicht, überall ein Experte zu sein“.
Zwei von drei Managern nehmen keinerlei externe Hilfe an
Viele Entscheider in der Wirtschaft sehen das genauso – und holen trotzdem keinen fremden Rat ein. In einer Studie der Stanford Graduate School bekundeten zwar fast alle der 200 befragten Entscheider, prinzipiell Interesse an einem Coaching zu haben. Zwei Drittel von ihnen gaben jedoch an, keinerlei externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Stefan Grötecke kennt das Problem. Der selbständige Unternehmensberater hat mehr als 20 Jahre Erfahrung im Personalwesen und berät viele Führungskräfte. „Alle schleppen irgendwelche Themen mit sich rum und suchen jemanden, mit dem sie darüber reden können.“ Von ihrer ganzen Persönlichkeit her seien seine Kunden aber Alpha-Tiere. „Aus ihrer Sicht würden sie Schwäche zeigen, wenn sie im Gespräch Schwierigkeiten zugeben. Das ist die Hürde, deshalb machen es viele nicht“, sagt Grötecke.
„Die toben erstmal“
Diejenigen, die doch über ihren Schatten springen und ihn aufsuchen, lassen oft zunächst Dampf ab. „Teilweise kommen sie zu mir ins Büro und toben erstmal“, berichtet der Personalexperte. Erst später gehe es dann darum, die Situation auf die wesentlichen Probleme zu reduzieren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. „Dann geht derjenige, denkt darüber nach und kommt wieder. Später wird weiterdiskutiert.“ Grötecke ist überzeugt: „Das Verfahren verhindert viele unsinnige Schnellschüsse. Es führt zu besseren Entscheidungen.“
In der Regel erfährt der Berater aus dem Rheingau auch viel aus dem Privatleben seiner Kunden. Deren Probleme seien meist die gleichen, die jeder normale Arbeitnehmer auch habe. „Du warst lange bei der Arbeit, kommst nach Hause und denkst: Ich würde jetzt gerne mit meiner Frau reden, Zeit mit dem Kind verbringen und mal wieder Sport machen – nur wie bekomme ich das alles unter einen Hut?“ Für eine Führungskraft verschärfe sich diese Frage, sagt Grötecke. „Der hat noch viel weniger Zeit und dadurch mehr Druck im Kessel.“
Jenseits konkreter Problemlösungen gibt der Berater seinen Alpha-Tieren vor allem zwei Empfehlungen: „Immer authentisch sein!“ Und zweitens? „Wenn du mit deiner Frau einen Operntermin hast, vergiss ihn niemals!“
Kampf ums Privatleben
Jemandem wie Cai Kramer braucht er das nicht mehr zu raten. Der 51 Jahre alte Manager wird gerne geholt, wenn es bei einem Unternehmen brennt. Kramer denkt schnell und redet zackig. Für ihn „fangen die privaten Probleme schon an, wenn ich mich für einen neuen Job entscheide“. Dann wohne die Familie im einen Ort, und die Arbeitsstätte sei plötzlich fünf Autostunden entfernt. „Dann sehen Sie Ihre Familie nur noch von Freitagnacht bis Sonntagabend“, berichtet er. „Oder Sie nehmen die Familie mit; aber dann kennt Ihre Frau am neuen Ort niemanden, und Sie müssen zusehen, dass Sie Ihre Familie wieder verdrahtet kriegen. Sonst haben Sie das nächste Problem an der Backe.“ Für ihn steht fest: „Wer sagt, meine Spitzenposition funktioniert mit dem Privatleben reibungslos, der lügt.“ Deshalb will er in diesem Text anders heißen.
Damit es privat harmonischer läuft, hat sich Kramer inzwischen zwei Mobiltelefone zugelegt, ein privates und ein dienstliches. „Und ich habe dem Eigentümer gesagt: Ruf mich drei Mal wegen irgendwelchem Quatsch auf dem Privathandy an, und ich hol mir ein neues.“ Der Inhaber habe erst mal geschluckt, die Regel aber akzeptiert.
Für schwierige Entscheidungen hat sich Kramer über die Jahre ein Netz aus befreundeten Spezialisten aufgebaut. So könne er kniffelige Fragen diskutieren und eine neutrale Meinung hören. „Aber natürlich gibt es Entscheidungen, über die man nachts lange nachdenkt.“
Auch Rettungssanitäter müssen ihren Tag verarbeiten
Diese Erfahrung eint alle Manager, auch Per Ledermann hat sie gemacht. Der Chef des Schreibwarenherstellers Edding sieht den Grund darin, dass es „bei jeder Entscheidung mehrere Möglichkeiten gibt, sonst wäre es ja keine Entscheidung. Und in den seltensten Fällen kann die Excel für einen ausrechnen. Meistens weiß man noch nicht mal hinterher, ob man die beste Entscheidung gefällt hat und der andere Weg nicht doch ein bisschen besser gewesen wäre.“ Darüber lasse sich dann trefflich grübeln.
Aber muss man deshalb Mitleid mit Deutschlands Spitzenmanagern haben? Wer nicht nur Orangen am Fließband sortiert, muss für viel weniger Geld auch schwierige Entscheidungen treffen. Und welcher Rettungssanitäter liegt nachts nicht im Bett und verarbeitet seinen Tag?
Andererseits sind Belastung und Verantwortung eines Spitzenmanagers oft besonders hoch. Ledermann etwa hat die Führung des Familienunternehmens bereits mit 29 Jahren übernommen. „Das war eine extreme Verantwortung für mich, schließlich ging es um das Lebenswerk meines Vaters.“ Deshalb habe er zunächst jeden Stein persönlich umdrehen wollen. „Aber dabei reibt man sich auf. Ich musste erst lernen, dass es meine primäre Aufgabe ist, dem Unternehmen eine Richtung und Energie zu geben.“ Auch emotional ist Ledermann inzwischen ganz bei sich angekommen. Gerne verweist er auf eine intakte Familie und einen großen Freundeskreis.
Nicht nur die Leistung zählt
Unter den Vorstandsvorsitzenden zählt Ledermann damit zur glücklichen Hälfte. In einer großen Befragung des Harvard Business Review von 2012 erklärte jeder zweite Spitzenmanager, bisweilen einsam zu sein. Zwei Drittel davon gaben wiederum zu, dass ihre Arbeitsleistung unter dieser Einsamkeit leide.
„Um das zu verstehen, muss man wissen, dass Einsamkeit und Alleinsein unterschiedliche Dinge sind“, sagt Psychologe Sascha Kern. Die Führungsfunktion eines Vorstands bringe faktisches Alleinsein häufig mit sich. Einsamkeit hingegen sei „eine bunte Mischung von Gefühlen. Angst und Niedergeschlagenheit sind häufig dabei.“
Damit es nicht so weit kommt, rät er seinen Gesprächspartnern, „ihr Haus nicht nur auf einer Säule zu bauen, die lediglich aus Leistung und der Anerkennung von anderen besteht. Sollten nämlich einmal Misserfolg oder großer Druck auf diese Konstruktion kommen, gerät leicht das ganze Gebäude ins Wanken.“
Autor: Christoph Schäfer, Redakteur vom Dienst bei FAZ.NET.
Weiterführende Links:
http://www.akademie-fuer-manager.de/professioneller-umgang-mit-schwierigen-charakteren/
http://www.akademie-fuer-manager.de/coaching/
http://www.akademie-fuer-manager.de/teambildung/
https://www.wilhelm-gerbert.de/